100 Tage als Direktorin am Gymnasium Lindenberg
Welchen Berufswunsch hatten Sie, als Sie Ihr Abitur gemacht haben?
Eigentlich wollte ich Journalistin werden.
Und warum haben Sie dann Ihre Meinung geändert?
Ich habe ein Praktikum bei einer Lokalredaktion der Augsburger Allgemeine gemacht und habe dann festgestellt, dass das doch ein sehr hartes
Tagesgeschäft ist und dass man Texte nur für die nächste Ausgabe schreibt, und das war dann doch nicht meins. Vielleicht habe
ich auch zu viel am Text gefeilt.
Was war Ihr erster Eindruck vom Erscheinungsbild der Schule, uns Schülern und den Lehrern?
Eine wahnsinnig offene Schule, ich wurde sehr freundlich und herzlich vom Kollegium empfangen. Die Schüler haben mich mit neugierigen
Augen angeschaut, manche konnten mich vielleicht noch gar nicht so richtig einordnen. Das Schulgebäude macht natürlich auch einen
sehr freundlichen Eindruck. Die Farbgebung und der offene Schulhof haben mir auch sehr gefallen.
Und was gefällt ihnen am Schulgebäude speziell am besten?
Ich finde es sehr schön, dass es eine Aula gibt. Es ist etwas ganz Wertvolles, wenn man einen Raum hat, wo man zusammenkommen, musizieren,
sich Vorträge anhören und Veranstaltungen ablaufen lassen kann. Das gefällt mir sehr gut. Die Aula ist so etwas wie das Zentrum
der Schule.
Aus welchem Grund haben sie Deutsch, Latein und Italienisch auf Lehramt studiert?
überlegt, lacht Also Lehramt war die zweite Option, nach dem Journalismus dachte ich mir: „Du machst jetzt Lehramt!" Denn ich
war auch sehr im Bereich Jugendarbeit engagiert, ich habe z. B. eine Jugendgruppe geleitet. In Deutsch war ich auch immer gut, ebenso in Latein.
Und weil ich dann noch dachte, dass es auch ganz sinnvoll wäre, eine moderne Fremdsprache zu sprechen, habe ich, als ich für ein
Auslandsstudium nach Siena in Italien gegangen bin, dort angefangen Italienisch zu lernen und zu studieren. Es ist sehr hilfreich, wenn man mit
Italienisch auf Latein aufbauen kann, die beiden Sprachen sind sich ja sehr ähnlich.
Haben Sie sich auch einmal überlegt, nach Italien zu ziehen?
Ich war ja ein einhalb Jahre in Italien und ich wäre am liebsten gar nicht mehr zurück, mir hat es dort sehr gefallen: die Mentalität,
die Sprache, die Lebensweise, das Essen. Das war natürlich auch im Studium, da hat man mehr Freiheiten. Wenn man in Italien arbeitet, kann
das natürlich ganz anders sein. Aber schließlich bin ich dann auch wieder zurück nach Deutschland, weil ich mein Studium dort beenden
wollte.
Ich habe von dem Flugverbot gehört, das eingeführt wurde, und dachte, das hätten Sie eingeführt, aber dann hat ein Lehrer
zu mir gesagt, das wurde vom ganzen Lehrerkollegium bestimmt. Wie kam es dazu?
Es wurde mehrheitlich entschieden, dass auch wir ein Zeichen für den Klimaschutz setzen wollen. Wir haben für die Klassenfahrten der 11.
Klasse, die auch die Lehrer organisieren und planen, festgelegt, dass man auf Flüge verzichtet. Um den CO2-Fußabdruck, der durch eine
Flugreise entsteht, auszugleichen, müsste − wenn ich mich recht erinnere − ein Mensch z. B. 8.000 Kilometer Rad fahren. Wenn wir bewirken
können, dass ein ganzer Jahrgang NICHT zur Verschlechterung des Klimas beiträgt, dann sollten wir das doch tun!
Ich finde die Entscheidung gut. Ich weiß natürlich, dass einige Schüler sagen, wenn sie nicht irgendwo hinfliegen können, wird
es nicht schön. Ich glaube aber, Klassenfahrten, so habe ich das auch erlebt, machen das Zusammensein und die gemeinsamen Unternehmungen mit
den Freunden aus. Und ob das jetzt Paris, Rom oder New York ist, das ist völlig egal.
Und warum dann nur bei den Klassenfahrten der Oberstufe und nicht auch beim Spanienaustausch? [nach Amerika kommt man schnell nur mit dem
Flugzeug und Budapest wird schon mit der Bahn bereist]
Der Spanienaustausch war schon gebucht und in die USA kommt man nicht anders hin. Wenn wir mit dem Schiff fahren, brauchen wir wesentlich
länger. Das Einzige, was wir beschließen konnten, war die Fahrtenreihe der Q11, deren Planung erst angegangen wird.
Und die nächsten Jahre?
Die nächsten Jahre gilt es weiterhin sinnvoll zu überlegen, was wir machen. Wir können natürlich auch sagen, wenn sich
bestimmte Flugreisen nicht vermeiden lassen, dann tun wir etwas anderes für den Klimaschutz, und wir machen das ja, indem wir etwa
Baumpflanzaktionen planen. Jetzt haben wir auch eine AK Klimaschutz, wo wir versuchen, an der Schule selbst etwas besser zu machen, zum Beispiel
zu überlegen, ob das Licht brennen muss oder ob wir vielleicht mit dem Wasserverbrauch vorsichtiger sein sollten, Plastikmüll reduzieren
sollten, und so weiter.
Passend zu dem, was Sie vorhin gesagt haben, ist unser CO2-Fußabdruck natürlich auch ganz wichtig. Wenn man sich nicht vegetarisch
oder vegan ernährt, hinterlässt man auch einen bedeutend großen CO2 Abdruck. Haben Sie schon einmal über einen veganen oder
vegetarischen Tag in der Schulmensa nachgedacht?
Ich habe tatsächlich schon einmal mit dem Mensateam gesprochen und festgestellt, dass manches schon vegetarisch ist. Das Essen, das in der
Mensa verkauft wird, wird aus lokalen und regionalen Produkten hergestellt, was sehr positiv ist. Eigentlich sind wir da schon recht gut dabei.
Es wäre schön, wenn mehr Schüler in der Mensa essen würden, denn das wäre auch ein Beitrag zum Klimaschutz. Es wird kein
Papiermüll produziert, das Essen ist nicht in Alufolie verpackt, es fallen keine Pizzakartons an, die weggeworfen werden, sondern es gibt
frisches Essen. Also wenn jemand sagt, er möchte versuchen sein Leben klimaneutral zu gestalten, dann schlage ich vor, iss in der Mensa!
Und wie finden Sie im Anschluss dazu unsere fridays-for-future-Demonstrationen?
Ich finde das ganz wichtig und gut, dass sich junge Leute Gedanken über ihre Zukunft machen, sich dafür einsetzen und überlegen,
was die Gesellschaft dazu beitragen kann. Man hat ja jetzt auch mal gesehen, dass durch die Demos die Politiker in die Gänge gekommen sind.
Ich denke, f4f ist schon lang keine Jugendbewegung mehr, Menschen unterschiedlichsten Alters engagieren sich dabei. Jetzt ist zu wünschen,
dass das Gespräch weitergeht, nachhaltige Maßnahmen ergriffen werden und das nicht nur in Deutschland beziehungsweise Europa.
Wenn Greta Thunberg Ihre Tochter wäre, wie würden Sie deren Schulstreiks und Politikerreden sehen?
Ich wäre wahninnig stolz auf meine Tochter, dass sie so mutig ist, sich so engagiert und sich mit dem Thema so identifiziert. Ich würde
sie auf jeden Fall unterstützen. Als Mutter würde ich aber auch darauf schauen, dass sie nicht nur für die öffentliche
Sache eintritt, sondern sich persönlich weiterentwickelt. Denn wenn dieses Klimathema ein Weltthema geworden ist, kann es sein, dass sie
sich einen neuen Schwerpunkt suchen muss. Vielleicht wird sie ja einmal im Bereich Klimaschutz eine Beauftragte für ihren Staat, für
Europa oder für die Welt.
Greta ist schon extrem, so muss sie wahrscheinlich auch sein, sonst hätte sie das so auch nicht machen können. So ein Thema braucht
wohl eine Person, die voranschreitet und mit ihrer Überzeugung und ihren Aktionen andere mitzieht.
Vielleicht sieht sie es als Lebensbestimmung an, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Ja, das kann sein, aber das würde dann auch heißen, die eigenen Interessen und Wünsche immer hinten anzustellen, wie etwa Schulbesuch,
Ausbildung, Freundschaften oder Familie. Sie wird natürlich auch an dem gemessen, was sie sagt, denn sie steht ganz schön im Fokus der
Gesellschaft. Wenn sie nun mit dem Flugzeug reisen würde, würden die Leute schnell sagen: Sie ist doch nicht so überzeugt von dem,
was sie sagt.
Dieses Interview wird zu ihren 100 Tagen Amtszeit als Direktorin am Gymnasium Lindenberg veröffentlicht, 100 Tage- Ihr Fazit?
Es ist wahnsinnig viel Neues, es ist wahnsinnig viel Interessantes und es wird sicher noch viele weitere 100 Tage brauchen, damit ich auch
wirklich alles kenne und damit auch alle mich kennen. Aber es hat sich gelohnt!
Wie empfanden Sie Ihre eigene Schulzeit?
Ich bin gern in die Schule gegangen, es war schon eine schöne Zeit, wobei man das immer erst im Nachhinein wirklich so wahrnimmt. Im Jahr
2020 feiere ich 30-jähriges Abitur und ich freu mich schon wahnsinnig darauf, meine ehemaligen Klassenkameraden zu treffen. Bei solchen
Jubiläen sprechen wir über ehemalige Lehrer, Schulleiter, Klassenfahrten, Streiche, die wir gespielt haben oder über schlechte
Noten, die im Nachhinein gar nicht so schlimm waren, wie man sie zuerst empfunden hat.
Ich wünsche allen Schülerinnen und Schülern, dass es ihnen genau so geht: Dass sie, wenn sie ihr Abitur abgelegt oder die Schule
verlassen haben, sich genauso darauf freuen, ihre ehemaligen Klassenkameraden wieder zu treffen.
10. November 2019, Naja Spies, 10ds